Transkript zum Interview von Armin Wolf mit Julia Herr (SJ) vom 1. Dezember 2014.
Montag, 1. Dezember 2014 um 22:10 Uhr
ORF2
Transkriptstatus: 2. Dezember 2014 um 01:28
Quelle: http://tvthek.orf.at/program/ZIB-2/
Bildquelle: orf.at
Die Idee hinter dem Transkript ist, ein gesprochenes TV-Interview auch in einem zusätzlichen Kanal – und zwar in Textform – zur Verfügung zu stellen. Oft ergeben sich beim Lesen andere und klarere Zusammenhänge. Strukturen werden erkannt und eigentliche Botschaften, Textbausteine werden noch klarer und können weiter recherchiert werden. Wir möchten Politik, politische Ideen und Veränderung und den Weg in ein neues, offenes und mitgestaltbares politisches Zeitalter unterstützen. Und dem Gesagten mit dem Transkript einen ernstzunehmenden anderen Zugang sowie eine möglichst breite Reflektion bieten.
Julia Herr: Guten Abend.
- SPÖ-Jugend: Herr und das Vorbild Venezuela 31.05.2014 (diepresse.com)
- Julia Herr neue Vorsitzende der Sozialistischen Jugend 03.05.2014 (derstandard.at)
- „Die Sozialdemokratie wird es aushalten, wenn die Jugend kritisch ist.“ 01.12.2014 (kurier.at)
- „Wir müssen die Große Koalition einengen. Entweder Vermögenssteuer, oder es gibt eben keine Koalition mit uns.“ 28.11.2014 (oe24.at)
- Vor dem SPÖ-Parteitag: Faymann entzweit die jungen Roten 26.11.2014 (diepresse.com)
- „…Sie fordern etwa die Freigabe von Cannabis, „Raus aus der Koalition mit der ÖVP“, Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber oder Verzicht auf Grenzkontrollen.“ 28.11.2014 (kleine.at)
- „[…] 21-Jährige Burgenländerin erste Frau in 120 Jahren Sozialistische Jugend – SPÖ soll Regierung verlassen […]“ (ots.at, 04.05.2014)
- „Es ist, was es ist: eine Blamage für Faymann.“ diepresse.com (29.11.2014)
- „Nach der Blamage auf dem Parteitag ist Werner Faymann angezählt. Offen ist der Zeitpunkt der Ablöse.“ kurier.at (29.11.2014)
- „…knapp vor 20.30 Uhr am Freitagabend wird die Blamage beim Parteitag der SPÖ in der Messe Wien öffentlich…“ diepresse.com (28.11.2014)
- Analyse: Der Anfang vom Ende des W. Faymann diepresse.com (28.11.2014)
Uns ist es einfach darum gegangen zu zeigen, dass wir aus verschiedensten Gründen unzufrieden sind. Das eine ist natürlich inhaltlich: Wir fordern jetzt bspw. schon seit drei Parteitagen – seit 2010 – Vermögenssteuern. Und sie sind immer noch nicht gekommen. Und natürlich ist es uns auch darum gegangen, ganz einfach einen Denkzettel zu verpassen.
Naja, also aus den Reihen der Sozialistischen Jugend ist es wahrscheinlich recht schwer einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin aufzustellen. Es ist jetzt auch nicht primär die Kritik an seiner Person, sondern es ist auch ein Symbolakt. Uns geht es darum, dass die gesamte SPÖ-Spitze begreifen muss, dass die Dinge, die vor der Wahl – auch auf Wahlplakaten hängen – nach der Wahl auch umgesetzt werden müssen.
Ich glaube, angeschlagen ist Werner Faymann durch die 400.000 Mitglieder, die wir seit der großen Koalition an Wählern und Wählerinnen verloren haben. Und nicht durch die hundert Delegierten, die ihn am Parteitag nicht gewählt haben. Ich glaube, das Problem ist, dass wir unsere Glaubwürdigkeit als SPÖ langsam verlieren. Das ist das zentrale Problem. Und diese Diskussion, ob ein Neuner oder Achter bei Wahlergebnis vorne steht, ist nicht die zentrale.
Quelle: Entwicklung und Überblick: Parteimitglieder in Österreich
[…] Kritik an den Streichungen kommt von Bau-Holz-Gewerkschafter Beppo Muchitsch: „Das ist für mich unreif. Das ist eine Trotzreaktion zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.“ Für die anstehenden Steuerreform-Verhandlungen wäre es ihm „lieber gewesen, dass wir ein bisschen mehr Sprit in den Tank bekommen hätten“. Das Ergebnis wertet er als „Warnschuss, aber auch als Auftrag für eine Steuerreform 2015“. […]
orf.at (29.11.2014)
Nein. Jemanden zu streichen ist ein demokratisches Recht, das jeder und jede Delegierte hat. Von dem haben wir Besitz ergriffen, weil wir unzufrieden sind…
Natürlich ist es sinnvoll. Natürlich war das jetzt ein Ergebnis, das viele Probleme widerspiegelt. Und, dass nicht nur die Jugendorganisationen, sondern breite Teile der SPÖ Unmut haben. Das muss man ja auch irgendwann zeigen können. Es muss ja auch Mittel geben, Kritik zu äußern. Und das Mittel, das Delegierten zusteht, ist nun mal die Streichung. Und natürlich muss man seinen Unmut auch kundtun.
Natürlich muss man Kompromisse schließen und natürlich sind wir nicht in einer Alleinregierung. Aber trotzdem muss es rote Linien geben. Das heißt: Eine Regierung darf niemals ein Selbstzweck sein, dass man einfach nur in der Regierung sitzt. Sondern eine Sozialdemokratie muss dann in der Regierung sitzen, wenn es sozialdemokratische Projekte umsetzen kann. Und wenn das mit einer ÖVP derzeit nicht möglich ist, dann muss man das ganz einfach hinterfragen. Und das tun wir. Und das tun mittlerweile auch verschiedenste Landeshauptleute.
Naja, aber dann hat man zumindest erhobenen Hauptes diese Koalition auch verlassen. Und dann hat die SPÖ dieses Glaubwürdigkeitsproblem zumindest einmal ernst genommen und hat gezeigt, dass sie dass, wofür sie gewählt ist, auch tatsächlich versucht umzusetzen. Weil das ist ja jetzt unser Problem, das wir vor den Wahlen auf die richtige Themen setzen und dass wir uns als „Partei der Arbeit“ inszenieren. Dass wir raufschreiben: „Die Arbeitslosenzahlen sind zu hoch“, „Die Mieten sind zu hoch“. Und, dass wir das aber dann nicht umsetzen. Da gehe ich lieber erhobenen Hauptes aus der großen Koalition heraus und sage: „Ich habe es versucht, konnte es nicht umsetzen – die ÖVP hat es blockiert.“ Dann brauche ich mich nicht so sehr vor Neuwahlen fürchten, wie wenn ich das tun müsste, wenn ich jetzt quasi fünf Jahre in der Regierung sitze, aber nichts von meinen Versprechen umgesetzt habe.
Unter anderem. Ja. Ich glaube, es braucht solche roten Linien. Ob das jetzt die Vermögenssteuern sind – das ist jetzt natürlich die aktuellste Debatte. Die Steuerreform, die durch vermögensbezogene Steuern gegenfinanziert sein muss. Uns sind aber auch weitere Themen wichtig: Eine Bildungsreform, die so dringend wäre.
Dann würden wir das so sagen. Ja.
Nein, aber ich glaube, das ist ja eben der Punkt: laut Umfragen jetzt. Ich glaube, wenn man dann als SPÖ gezeigt hat, dass man sich rote Linien setzt und, dass man dafür kämpft, dass man nicht weiter umfällt, dann würden die Wahlergebnisse auch – glaube ich – ganz anders ausschauen. Und darum geht es uns ja, dass man dieses Glaubwürdigkeitsproblem, dass die Leute haben… Weil die meisten Leute hat die SPÖ bei der letzten Nationalratswahl als Nichtwähler in ein Lager verloren. Das heißt, Leute, die davor SPÖ gewählt haben, haben das plötzlich nicht mehr gemacht. Das heißt, man muss dieses Glaubwürdigkeitsproblem angehen und zeigen, dass man die Dinge ernst nimmt und dahinter steht.
Ich glaube, das muss man sich dann anschauen. Falls Sie jetzt anspielen – natürlich sind wir auch nicht für eine Koalition mit der „Einzelfallpartei“ FPÖ, die sich von einem Einzelfall in den nächsten rettet und die sich scheinbar immer noch nicht von rechtsradikalen Gedankengut abgrenzen kann. Es geht darum, dass man viel mehr Handlungsspielraum in der großen Koalition hat. Wir haben zum Beispiel gefordert, dass es die SPÖ der SPD nachmachen und eine Urabstimmung über das Koalitionsprogramm abhalten soll. Das heißt, dass man die Mitglieder fragt, ob sie damit zufrieden damit sind. In der SPD hat recht gut funktioniert, da hat man sogar Mitglieder gewinnen können. Und man hat ganz klar Linien – wie zum Beispiel beim Mindestlohn in Deutschland – setzen können.
Quelle: wahlrecht.de
Natürlich. Man muss auch vor der Opposition keine Angst haben. Und prinzipiell hat es ja gezeigt, dass wenn eine große Koalition – wenn sie nicht funktioniert – 400.000 WählerInnenstimmen kosten kann. Und das war im Zeitraum von 2006 bis 2013 der Fall.
Derzeit – glaube ich – stehen nicht so viele Kandidaten und Kandidatinnen zur Auswahl.
Ich wüsste niemanden.
Christian Kern wird wirklich tatsächlich öfter genannt. Ich habe mit ihm persönlich noch nie gesprochen und kenne ihn auch nicht.
Danke schön.
Dieter Zirnig
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