Im neuwal walmanach EU 2014 stellen wir die kandidierenden Parteien und SpitzenkandidatInnen zur EU Wahl am 25. Mai 2014 vor. 9 Parteien stehen in Österreich am Stimmzettel. Im dritten Teil reden wir mit Ulrike Lunacek von den Grünen über die EU und ihre politischen Ideen: „Wir wollen dieses Europa. Wir brauchen es. Es hat uns viel gebracht. Wir haben uns viel erkämpft. Aber so wie es jetzt aussieht, fehlt einiges. “
Inhalt
neuwal walmanach mit dem Grünen Wahlprogramm
Die Grünen
Interview mit Ulrike Lunacek: Audio und Transkript
Wordrap
neuwal walmanach EU2014
Die Grünen aus Österreich sind Teil der Europäischen Grünen und seit der ersten Wahl 1996 im Europaparlament vertreten. Waren die Grünen zunächst nur mit einem Abgeordneten vertreten, sitzen seit 1999 stets 2 Vertreter der Grünen im Parlament. Heuer streben sie mit der Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek ein drittes Mandat an. Dazu braucht es ca. 15 % der Wählerstimmen. Dass dies ein ambitioniertes Ziel ist, verdeutlicht das Ergebnis von der Europawahl 2009. Hier schafften die Grünen nur 9,9 % der Stimmen. In einem gemeinsamen „Common Manifesto“ plädieren die europäischen Grünen für einen „Green New Deal“ und stellen ihre Vorhaben für die EU vor.
Die Ziele sind klar definiert: „Wir wollen eine umfassende Transformation Europas, die es jedem ermöglichen, ein gutes Leben auf der Basis wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit zu leben. Konkret wollen wir Millionen von Grünen Jobs schaffen, ehrgeizigen Klimaschutz, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit.“
Spitzenkandidatin | Ulrike Lunacek |
2. Listenplatz | Michel Reimon |
3. Listenplatz | Monika Vana |
Europapartei | European Green Party (EGP) |
Europafraktion | Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz (Grüne/EFA) |
Ausrichtung | Grüne Politik |
Lager | Grüne |
Positionierung | Klare Abgrenzung gegenüber ÖVP und NEOS |
Kandidatur | Wahlvorschlag mit Unterschrift von MEP Ulrike Lunacek eingereicht |
Gründung | 1986 |
Parteiwebsite | gruene.at |
Parteiwebsite | greens2014.eu |
EU-Wahlprogramm | europeangreens.eu |
facebook.com | |
twitter.com | |
EU-Wahlprogramm | europeangreens.eu |
Facebook Ulrike Lunacek | facebook.com |
Twitter Ulrike Lunacek | twitter.com |
Interview über Google Hangout am Ende April 2014 aufgenommen. Interviewer: Dieter Zirnig und Wolfgang Marks.
Ulrike Lunacek: Die Grünen in Österreich sind jene Partei, die aus ganz vielen Zivilgesellschaftsbewegungen entstanden ist: Aus der Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung, deswegen heißen wir auch „Grüne“. Wir arbeiten an Menschenrechtsthemen, an Sozialen Themen, Demokratiethemen. Wir sind pro-europäisch und wollen Veränderung:
Ich bin die Spitzenkandidatin. Ich kann selbst auf eine lange Geschichte in Zivilgesellschaft, Entwicklungspolitik zurückgreifen. Habe vor vielen Jahre in Chile, Peru und Bolivien selbst erfahren, was es heißt, wenn Leute im Untergrund sind, in einem Militärregime und habe Unterschiede zwischen Arm und Reich kennengelernt.
Wir sind da sehr ähnlich. Wir sind im Europaparlament die, die auch von allen Fraktionen am meisten gemeinsam abstimmen. Es gibt hier ganz viele Synergien. Die österreichischen Grünen sind eine der Gründungsparteien der europäischen Grünen, die es seit Ende der 70er Jahren gibt. Seit 2004 sind wir auch eine europäische Partei. 2004 haben wir das erste Mal einen gemeinsamen europäischen Wahlkampf mit gemeinsamen Slogan und Sujets gemacht.
Große Ähnlichkeiten gibt es – vor allem auch auf Grund der Entstehungsgeschichte – zwischen den belgischen, niederländischen und deutschen Grünen. Es gibt Grüne in fast allen früheren EU-Staaten. In den neuen Mitgliedsstaaten haben wir auch einige Grüne Parteien: In Ungarn, Tschechien, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Polen. Aber, die sind noch nicht alle in den Parlamenten vertreten und auch nicht im Europaparlament. Wir hoffen, dass wir jetzt bei dieser Wahl zumindest Grüne aus Ungarn, Tschechien, Kroatien bekommen. Wir verstehen uns als EU-übergreifende Partei und im Sinne von ökologischer und sozialer Politik einfach europaweit Politik machen.
Erasmus. Lehrlinge im ERASMUS; Lehrlinge im Comenius-Programm, das gab es – als ich in die Schule gegangen bin oder studiert habe – noch nicht. Wir reisen, ohne den Pass herzuzeigen. Das ist für viele schon eine Selbstverständlichkeit, was auch gut so ist. Es gibt leider manche in der EU, das sind vor allem die Rechten und die Rechtsaußen Parteien, aber auch Teile der EVP, die die Grenzen wieder zumachen wollen. Die nicht wollen, dass Menschen aus verschiedenen Mitgliedsstaaten frei reisen und auch arbeiten können in jedem Mitgliedsland.
Vor kurzem hatten wir Debatten, ob in Rumänien oder Bulgarien wieder Grenzkontrollen eingeführt werden sollen. Mit Rumänien und Bulgarien gibt es viele Probleme, das ist mir schon klar. Aber die Personenfreizügigkeit, dieses frei sich bewegen und frei in der EU arbeiten können – wenn man einen Job findet.
Das ist der Einfluss von Konzernen und Lobbys, die zum Teil ja von Konzernen beschäftigt werden. Und auch jene, die im Europaparlament selbst auch durchaus sozusagen bereit sind, diesem Druck nachzugeben. Wir haben es im Europaparlament geschafft, ein Lobbying- und Transparenzregister einzuführen, das besser war als jedes im österr. Nationalrat. Das heißt, dass diejenigen, die eingetragen sind, einen Ausweis bekommen, mit dem sie klar als Lobbyisten erkennbar sind. Es muss einfach klar sein, dass Bestechung, Korruption im Parlament einfach nichts verloren hat. Das wäre ein wichtiger Punkt. Ich habe übrigens auch fraktionsübergreifend durchgesetzt, dass keine Geschenke über 150 Euro angenommen werden dürfen.
Das ist ist gemeinsames Manifest von den europäischen Grünen. Mit über 30 Parteien in den 38 Mitgliedsstaaten. Das heißt, hier macht dann schon jede Partei in jedem Land konkreter. Das Manifest ist etwas, bei dem auch eine Zukunftsvision dabei ist. Wir möchten eine Arbeitslosenversicherung auf europ. Ebene. Nämlich vorab zugleich in eine österr. und europ. Versicherung einzahlen und wenn ich tatsächlich arbeitslos werde bekomme ich über diese Karte die Arbeitslosenversicherung auch von der Europäischen Union. Das wäre ein Vorschlag.
Gleichzeitig müsste in so einem System verankert sein, dass es einen Mindestlohn in allen EU-Staaten gemäß den Einkommensverhältnissen im Land gibt.
Die Anzahl der Arbeitslosigkeit, von Jugendarbeitslosigkeit, wäre ganz wichtig. Ebenso das Bildungsniveau oder gleiche Möglichkeiten für Frauen und Männer. Das ist noch in keinem EU-Land wirklich gegeben. In allen EU-Ländern verdienen Frauen weniger als Männer. In keinem EU-Land ist es so, dass in der Politik, in der Wirtschaft auf den höchsten Ebenen Frauen gleich viel mitentscheiden wie Männer. Das war auch ein Kriterium, das wir einführen wollten. Wir finden, dass es hier eine Erweiterung dessen braucht, als rein das Monetäre. Gesellschaftspolitische Kriterien, die in einer Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, sind einfach wichtig.
- Die sogenannte Jugendgarantie, die mittlerweile vom österr. Bundeskanzler vorangetrieben wird. Nach vier Monaten Arbeitslosigkeit oder nicht in Ausbildung muss es für Jugendliche die Garantie und Möglichkeit geben, einen Job oder eine neue Ausbildungsmöglichkeit zu bekommen.
Das Problem dabei ist, dass es viel zu wenig Geld gibt. Es sind für die nächsten paar Jahre 6 Mrd. Euro für ganz Europa vorgesehen, bei Arbeitslosenzahlen von über 50 % in Spanien und Griechenland ist das ein Tropfen auf den heißen Stein.
- Es braucht einen Paradigmenwechsel: hin zu mehr Investitionen in Jobmöglichkeiten, in erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Es sind die Bereiche, wo nicht nur dem Klimaschutz gedient ist, sondern auch den Arbeitsmöglichkeiten vor allem für junge Leute. Das sind nachhaltige Jobs auf Dauer. Da gehört mehr investiert. Wir nennen es den grünen New Deal.
- Noch ein dritter Punkt, was die Jugend betrifft: Bildung, Bildung, Bildung. Das ist in Österreich ein ganz zentrales Thema, leider auch ständig in der Innenpolitik, ohne dass sich wirklich viel ändert. Aber es ist für Jugendliche wirklich die Möglichkeit, das Tor zu einer erfüllenden Zukunftsperspektive. Wir setzen uns für ERASMUS PLUS ein und dass für Schülerinnen und Schüler, Lehrlinge, Studierende und Erwachsene 40 % mehr Geld da ist in den nächsten Budgets. Das sind Dinge, wo ich glaube, die wirklich etwas verändern und den jungen Leuten auch mehr Chancen geben ihren Weg und ihren Beruf zu finden.
Die Asyl- und Migrationspolitik der EU wird derzeit stark thematisiert. Und Sie treten da ja gegen die Dublin-Verordnung auf. Sie sagen: „Es brauche ein Ende der Abschottungspolitik“ und grenzen sich da natürlich von den rechten Parteien. Wie sehen da konkrete Maßnahmen aus?
Die gibt es nicht, da wehren sich die Mitgliedsstaaten seit Jahren dagegen. Was uns als Grüne eint ist, dass es eine gemeinsame Flüchtlingspolitik geben muss. Das heißt: Abschaffung von Dublin-II, die Farce und Schikane, dass man nur in dem Land, wo man Fuß auf europäischen Boden setzt, dort das Asyl ansuchen kann.
Ich war selber vor ein paar Jahren mit maltesischen Grünen in einem Flüchtlingslager in Malta. Das war schlimmer als Gefängnis. Das war mit Stacheldraht, mit Soldaten mit Maschinenpistolen, zu zwanzigst in einem Raum, auf Stockbetten, kaum jemals hinaus dürfen, ohne Chance, auch in Malta jemals einen Job zu finden. Malta ist ein winziges Land. Das ist so für mich ein Symbol dafür, dass man nicht das einem Staat überlassen darf. Wir hatten das andere Beispiel mit Italien. Lampedusa. Der schreckliche Tod von mehreren hundert Flüchtlingen im Wasser, weil sie nicht gerettet wurden. Italien ist ein großes Land. Es kann sicherlich mehr Flüchtlinge aufnehmen.
Aber ich fände es gut, einen Schlüssel zu haben, der nicht nur auf das Brutto-Inlandsprodukt abzielt, sondern auch tatsächlich schaut, wieviele Flüchtling welches Land schon aufgenommen hat und dann auch bereit ist. Aber da müssen alle 28 Mitgliedsstaaten zustimmen. Dann die Flüchtlinge auf andere Länder zu verteilen und da einfach solidarisch zu sein.
Ja. Österreich hat nach diesem Schlüssel, das hat auch SOS Mitmensch oder Amnesty auch ausgerechnet, relativ viele Flüchtlinge aufgenommen.
Wer hier bedroht ist, soll aufgenommen werden. Es ist höchste Zeit, dass Österreich mehr aufnimmt. Aber ich finde, es müssen alle Mitgliedsländer mitmachen.
Das Prinzip, das die EU ja auch hat, das Menschenrecht auch Grundsätze sind, dem ist es nicht angemessen. Wir Grüne stehen hier wirklich für gemeinsame Politik. Und bei der Migrationspolitik braucht es auch Gemeinsamkeiten.
Ich sage immer: „Wie viele Leute sind aus Österreich weggegangen, weil es in der Wirtschaft nicht gegangen ist und haben dann wo anders einen Arbeitsplatz gefunden.“ Hier braucht es auch europaweit ein gemeinsames System, auch zu sagen, wieviele Leute wir aufnehmen wollen. Und nicht jedes Land für sich alleine. Das ist eine Politik, die hinten und vorne falsch ist. Österreich hat über Jahrzehnte nie die 0.7 Prozent für Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit geschafft. Das ist eine Schande für eines der reichsten Länder der Welt.
Auf jeden Fall weiterhin in der EU. Und ich hoffe, mit einem Land, wo die Grünen sowohl noch mehr in Regierungen sind, auch in der österr. Regierung. Und, dass wir hier tatsächlich die Energiewende schaffen, hin zu Erneuerbaren: Raus aus Öl und Gas.
Ich hätte gerne die Länder des Westbalkans mit dabei. Alle. Weil es die Vollendung des europ. Friedensprojekts wäre. Die gehören dazu, die sind europäisch. Meine Vision ist schon so etwas wie eine republikanisch verfasste Vereinigten Staaten von Europa. Aber auf jeden Fall, um es kurz und prägnant zu sagen: Die Abschaffung des Rates in der jeweiligen Form: Weniger Macht den Regierungen und zwei Parlamentarische Kammern, Europaparlament und eine Art Senat, die gemeinsam mit Mehrheiten entscheiden und nicht mit Einstimmigkeiten.
—–
Dieter Zirnig
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