Im neuwal blogwald durchforsten wir österreich Blogger und bitten um Kommentare zum aktuellen politischen Tagesgeschehen. Dieses mal: Mario Lackner von GrenzlandDemokratie.

MarioLacknerMag. Mario R. Lackner
Trotz Leitung des Politik-Beratungsstudios DAS!ALLES bleibt Mario noch ein wenig Zeit für die Schriftstellerei (seit 2011 erscheint im Verlag Berger seine Asta-Romantrilogie) und die Vorbereitung seiner Doktorarbeit. Er studierte Rechtswissenschaften an der JKU Linz, Geschichte an der FernUni Hagen und schloss 2010 nach Ausbildungsblöcken in Rotterdam, Utrecht und Wien das transdisziplinäre Diplomstudium Internationale Entwicklung ab (Schwerpunkte Mittel-/Osteuropa, Genderforschung, Migration und Globalisierung). Er ist ausgebildet in Lebens-/Sozialberatung und seit seiner heurigen parteibuch-freien NÖ-Landtagskandidatur auf der Liste „Frank” politischer Blogger auf GrenzlandDemokratie (mit Außenposten aufFacebook und Twitter), wo er bis zur Nationalratswahl wöchentlich die Entwicklung der Parteien und ihrer Spitzenkandidat*innen auf Facebook mitverfolgt und analysiert.

6.384.331 Menschen waren am Sonntag, 29. September 2013 bei der Nationalratswahl in Österreich wahlberechtigt.

Demokratiedefizit 1: Weiteren hunderttausenden erwachsenen Einwohner*innen Österreichs wurde die Teilnahme an der Nationalratswahl verwehrt, weil sie (noch) keine Staatsbürger*innen sind. Von denen, die durften, sind ca. 4,7 Millionen wählen gegangen, davon haben am Stimmzettel keine 2,4 Millionen die bisherigen Koalitionsparteien SP/VP angekreuzt. Das entspricht 37,5 % der Wahlberechtigten! Wird es demnach nicht Zeit für eine Regierung mit mehr Rückhalt in der Bevölkerung? Oder wie wär’s zur Abwechslung für ein thinking outside the box, z.B. mit einer Expertenregierung? (vgl. GrenzlandDemokratie)

Demokratiedefizit 2: Abertausende Vorzugsstimmen wurden vergeben und welchen Einfluss haben diese auf die Mandatsverteilung? Von den jeweiligen partei-internen Gremien werden sie schlichtweg ignoriert. Exemplarisch seien die basisdemokratisch angesehenen Grünen erwähnt, wo ein Karl Öllinger mit über 8.000 und ein Efgani Dönmez mit mehr als 1.000 Bundeslisten-Vorzugsstimmen zwar den Sprung in die Vorzugsstimmen-TopTen schaffen, aber keinen der 24 Sitze der Grünen im neuen Nationalrat besetzen werden. (vgl. Der Standard)

Demokratiedefizit 3: Alle etablierten Parteien haben zigtausende Wähler*innen aus dem Jahr 2008 verloren. Diese wanderten aber mehrheitlich nicht zur neuen Konkurrenz Neos oder TS, sondern ins Nichtwählerlager – mittlerweile die größte „Partei” Österreichs. Auch die FPÖ sollte sich nicht in zu großem Siegestaumel verlieren, da ihr 3%iges Plus hauptsächlich auf die Wiedereinverleibung von Haider-BZÖ-Wähler*innen zurückzuführen ist, nicht aber auf den zarten Zustrom aus dem Neu- und Nichtwählersegement (siehe ORF/SORA-Grafik).

Demokratiedefizit 4: Der Anstieg der Nichtwählerquote auf über 25 % und der damit (und oben beschriebenen Defiziten) verbundene, anhaltende Sinkflug unserer Demokratie ist doch die wirkliche Schlagzeile dieser Tage! Nicht das Aus für das BZÖ, nicht der Einzug der Neos ins Parlament oder die (nicht) überraschenden Ergebnisse für TS, FPÖ und die Grünen.

Die klassische, millionenschwere, semi-professionelle bishin exzellente und streckenweise massiv nervende PR (egal welcher Partei) hat den anhaltenden, nachvollziehbaren Nichtwählertrend nicht stoppen können. Werden schon bei der EU-Wahl im Mai 2014 neue, innovative Ansätze integriert oder weiterhin ignoriert? Wann wachen die Bundesparteispitzen bei SP, VP, Grünen & Co. auf? Wo ist der längst fällige Neustart für unsere Demokratie in Österreich?