Betont proeuropäisch gab sich gestern der Bundeskanzler Werner Faymann bei der Veranstaltungsreihe „Zukunft am Wort“, die von „Der Standard“ und „ORF Wien“ ins Leben gerufen wurde und Jugendlichen die Möglichkeit gibt, mit Spitzenpolitikern ins Gespräch zu kommen.
Die Fragen an den Bundeskanzler wurden von den Studierenden Agnes Aistleitner (die mit ihrer Initiative „Wahlzuckerl“ die Jugend zur Teilnahme am politischen Geschehen bewegen will) und Simon Oberbichler gestellt. Zudem diskutierte auch der Politikwissenschafter Peter Filzmaier am Podium mit. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Alexandra Föderl-Schmid von „Der Standard“.
Im Folgenden werden die zentralen Fragen und Antworten kurz zusammengefasst:
Herr Faymann betonte, dass ein Untersuchungsausschuss nicht dazu benutzt werden sollte, den politischen Gegner anzuschütten. Vielmehr ginge es darum, wer etwas zum Ausschuss beitragen kann und die Abgeordneten der eigenen Fraktion hätten entschieden, dass er eben nichts Wesentliches beitragen könne und daher auch nicht aussagen sollte. Dieser Meinung schließt er sich an.
Es sei offensichtlich, dass es in der Bevölkerung sehr viele Unzufriedene gibt. Jetzt gebe es 2 Optionen, welche die Menschen in so einer Situation wahrnehmen können:
Option 1: Die Leute bleiben der Wahl fern.
Option 2: Die Leute gehen zur Wahl und unterstützen jene Kräfte, die auch wirklich etwas verändern wollen und die der Spekulation ein Ende setzen wollen. Die Finanzmärkte haben vieles zerstört, sind aber nicht greifbar und man kann sie vor allem nicht abwählen. Daher werden oft die Regierenden zur Verantwortung gezogen. Umso wichtiger ist es für die SPÖ, dass sie klar macht, dass sie gegen diese Machenschaften auftritt. Hier gelte es viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Peter Filzmaier betonte in diesem Zusammenhang, dass man bei den EU- und Landtagswahlen tatsächlich mit sinkender Wahlbeteiligung zu kämpfen habe. Allerdings sei die Beteiligung bei den Nationalratswahlen verglichen mit den anderen EU-Staaten herausragend gut. Generell plädiert der Politikwissenschafter vor allem dafür, politische Bildungsarbeit möglichst schon in jungen Jahren zu etablieren. Hier macht auch Faymann klar, dass er ein eigenes Fach für politische Bildung als absolut notwendig erachte.
Der Bundeskanzler macht keinen Hehl daraus, dass es nationale Schranken gibt und es eine starke EU braucht, um Veränderungen wirklich in Gang zu bringen. Dafür müssten aber die europäischen Institutionen wie das Europäische Parlament mehr Kompetenzen erhalten und die Mitgliedsstaaten müssten bereit sein, auch Kompetenzen abzugeben. Denn es sei sehr wichtig, dass die EU gemeinsame Antworten gibt. In diesem Zusammenhang kann sich der Bundeskanzler auch ein Rederecht für EU-Parlamentarier im nationalen Kontext vorstellen, um die EU-Politik besser zu kommunizieren.
Zusammenfassend könne man laut Faymann sagen: Ende gut, alles gut. Schließlich habe Maria Fekter schlussendlich eingelenkt. Hier sei anfangs vor allem mit Angst argumentiert worden. Die Reichen könnten ihr Geld abziehen und so würde dem Land viel Geld verloren gehen. Dieses Beispiel zeige auch, wie wichtig eine offene und geradlinige Kommunikation sei, um glaubwürdig zu bleiben.
Weil er immer eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen hat, sei es für Faymann auch nicht weiter verwunderlich, dass Strache-Fans ihm wohl eher wenig Vertrauen entgegenbringen. Dies würde sich auch auf den Index auswirken, störe ihn aber keineswegs. Darüber hinaus hat die Finanzkrise das Vertrauen in die Politik generell schwer erschüttert.
Der Bundeskanzler ist aber auch der Meinung, dass man Amtsträgern nicht automatisch Vertrauen entgegen bringen muss. Kritische Beobachter seien durchaus wertvoll. Im Falle von Karl Heinz Grasser wäre es beispielsweise auch sinnvoll gewesen, schon früher genauer hinzuschauen.
Faymann verweist hier auf die Erfolge der Regierung. Schließlich habe man in Österreich immerhin die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU und man habe hier auch Akzente gesetzt, wie z.B. die Ausbildungsgarantie für Jugendliche.
Einerseits weist Faymann darauf hin, dass die Regierung in einer schwierigen Zeit eine zusätzliche Uni-Milliarde aufgestellt habe. Natürlich könnte und sollte es noch mehr sein. Studiengebühren lehnt der Bundeskanzler aber nach wie vor ab. Durch ein gerechteres Steuersystem, wo die Reichen mehr als bisher zahlen, könne man Geld für Bildung lukrieren und niemand würde am Studieren gehindert.
Es gibt einfach eine Vereinbarung zum gemeinsamen Regieren und eine Koalition bestehe nun einmal aus Kompromissen. Deshalb ist er auch gegen eine 3-er Koalition. Diese bringt noch mehr Blockade. Dabei müsse die Politik aber schneller und entschlussfähiger werden.
Faymann glaubt, dass sowohl Rot-Grün als auch Rot-Schwarz die Herausforderungen der Zukunft bewältigen können. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ, aber auch mit dem Team Stronach schloss er aus. Schließlich sei er „kein Fan dieser Truppe“. Prinzipiell werbe Faymann aber nicht für eine Koalition, sondern er versuche die Menschen von der Politik der SPÖ zu überzeugen.
Zunächst weist Herr Faymann darauf hin, dass ihn die Debatte rund um den Einkommensnachweis für Gemeindebaubewohner sehr gestört habe. Denn jeder hätte in den vergangenen Jahrzehnten von diesen profitiert, auch jene die nicht in diesen Bauten wohnen. Weil diese nämlich nicht nach Angebot und Nachfrage funktionieren, konnte das Preisniveau für Wohnungen generell viel niedriger als in anderen Städten Europas gehalten werden.
Dennoch müsse man auf die Herausforderungen reagieren und mehr, vor allem leistbare Wohnungen bauen.
Die SPÖ hat die Probleme sehr wohl erkannt und tritt auch für deren Lösung ein. So sei man sowohl für mehr Ganztagsschulen als auch für die gemeinsame Schule. Schließlich zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern, dass diese Konzepte greifen und erfolgreich sind.
Prinzipiell trete Faymann dafür ein, allerdings sei dies etwas problematisch. Viele Mandate werden regional besetzt und dies müsse man auf der Bundesebene ausgleichen. Man bemühe sich aber, hier eine Lösung zu finden.
Generell war dem Bundeskanzler heute kaum etwas Neues zu entlocken. Ein gerechteres Steuersystem, in dem die Reichen zur Kasse gebeten werden sollen, ist ein altbekanntes Credo der SPÖ. Ebenso die Beteuerung, wie wichtig das Thema Bildung sei und dass man hier für mehr Geld kämpfen werde. Konkrete neue und mutige Vorschläge blieb der Bundeskanzler aber schuldig.
Wolfgang Marks
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