Heinz-Christian Strache, FPÖ: Die Freiheitlichen stolpern über Stiftungen, Antisemitismus und Kärnten. Armin Wolf bohrte nach. Eine Analyse.
Armin Wolf interviewt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
Datum: 27. August 2012
Ort: Kursalon Hübner, Wiener Stadtpark, Wien
Zuseher: durchschnittlich 817.000
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Schon zu Beginn scheint Armin Wolf gut aufgelegt, Heinz-Christian Strache hingegen scheint sich bereits mental auf die große Inquisition vorzubereiten. Was folgt ist keine Folter: man spricht über Ehrlichkeit in der Politik (und wärmt gekonnt eine Buchbesprechnung von 2005 auf), über die Sichtbarkeit von Davidsternen, übers Mensurfechten und darüber, dass jene Vorwürfe, die Strache gegen den ESM erhebt, 1:1 vom Internationalen Währungsfond übernommen wurde. Das bisher lebendigste und beste Sommergespräch mit einem Armin Wolf, dem man für diese Recherchearbeit wohl noch in Jahren Respekt zollen wird müssen.
Er macht es gut: zuerst lässt Wolf Strache erklären, ob und warum ein Politiker ehrlich sein soll. Und legt ihm dann vor, dass er vor wenigen Tagen in einem Posting auf seiner Facebookseite behauptet hat, dass Armin Wolf 2005 (!) im damaligen Sommergespräch falsche Behauptungen aufgestellt habe. Thema damals war das Lieblingsbuch Straches, dessen Kurzzusammenfassung auf Straches Website einer rechtsextremen Website entnommen wurde. Strache möchte sich herauswinden, sagt einmal er habe es geschrieben, ein anderes Mal seien seine Mitarbeiter dafür zuständig gewesen. Schlussendlich verspricht Wolf, alle Fakten im Anschluss online zu stellen. Was Strache schließlich soweit bringt, eine Klarstellung zu seinen Vorwürfen auf Facebook zu posten. Aber, wen verwundert es, sieht er die Schuld nicht bei sich, sondern bei seinen Mitarbeitern.
Die Umfrage der Karmasin Motivforschung (n=1000) hat nach den zehn wichtigsten Eigenschaften für eineN BundeskanzlerIn gefragt – und im Anschluss, welche dieser Eigenschaften wie sehr auf die fünf Parteivorsitzenden passen: Strache kann hier punkten. Die Menschen sehen ihn als durchsetzungsfähig, intelligent und charismatisch. Die schlechtesten Bewertungen hat er aber anderswo bekommen: bei der Ehrlichkeit.
Auch beim jüngsten Parteichef (und zugleich jenem, der am Längsten im Amt ist) wurde der Weg in die Politik von Klaus Dutzler eingefangen. (Straches Tante vergleicht die Wehrsportübungen mit den Pfadfindern. Diese haben sich bereits zu Wort gemeldet und fordern eine Entschuldigung und Distanzierung)
„Die Frage, die sich stellt ist: Macht es Sinn, Angst zu haben? Und ich habe für mich in meinem Leben die Erfahrung gemacht, Angst ist immer der schlechteste Wegbegleiter und Berater. Aber es gibt Momente, wo man vielleicht irgendwo diese Angst fühlt, aber man muss auch diese Angst überwinden können.“
Obiges Zitat geht auf die Frage zurück, wann Strache das letzte Mal Angst hatte. Dass Angst zum Teil auch ein Schutzmechanismus im Leben sein kann und soll, dürfte dem FPÖ-Politiker fremd sein. Im Anschluss möchte Armin Wolf wissen, warum Heinz-Christian Strache nicht geklagt hat, als Die Presse in einem Leitartikel von Michael Fleischhacker ihn als „ehemaligen Neonazi“ bezeichnet hat. Strache flüchtet sich in den Vorwurf, dass der ORF einen „gewissen Kampfauftrag gegen die Freiheitliche Partei“ habe. Er betont, dass es einer der schlimmsten Vorwürfe sei, mit der Nazi-Ideologie in Verbindung gebracht zu werden. Warum er gerade deshalb nicht geklagt hat, verrät er hingegen nicht.
„Ich sage es Ihnen ganz offen, ich bin weder links noch rechts. Denn ich habe für mich eine Definition, dass ich heute die Probleme der Zeit in vielen Bereichen erkenne, offen und mutig anspreche und meiner Meinung nach und Auffassung auch vieler Wähler, die uns aus Hoffnung heraus wählen, die richtigen Ansätze für eine bessere Entwicklung, Zukunft auch aufzeigt. Das ist keine Frage von links und rechts.“
Heinz-Christian Strache ist weder links noch rechts. Wobei es natürlich fraglich ist, ob man Ersteres je vermutet hatte. Er hält nicht viel von dieser Einteilung und kann mit diesen Begriffen nur wenig anfangen. Hier zitiert Armin Wolf aus Presseaussendungen und Reden von FPÖ-Politikern: „linke Jagdgesellschaft“, „linkslinke Chaoten“, „linke Einheitsfront“, „vereinigte Linke“, „linker Gesinnungsterror“, „linken Randalierern“, „linkslinker Hetze“. Und obwohl es weder links noch rechts für Strache gibt, tauchen solche Wortkreationen nie über Rechte auf. Erst nach mehreren Nachfragen stimmte er zu, dass rechts von der FPÖ kein Platz ist.
Nun zum aktuellen Thema: jene Karikatur, die Strache auf seiner Facebook-Seite gepostet hat, sorgte für internationalen Aufruhr. Es sei alles ein Unsinn, so Strache, und es geht ja in erster Linie um die Botschaft. Rot-Schwarz-Grün … Ausverkauf … Diktatur … ESM-Diktat. Er versucht selbst jetzt eine Wahlkampfrede zu halten. Und wirft Wolf vor, dass er nur Davidsterne sehe, weil er es sehen möchte. Und auch seine „jüdischen und israelischen Freunde“ würden da keinen Antisemitismus sehen. Ob Strache es sehe oder nicht, warum habe er sich – nach all dem medialen Aufgebot – nicht dazu durchringen können, sich ganz einfach zu entschuldigen und einen Fehler einzugestehen. Im Gegenteil: Strache beschimpft ja vielmehr jene Leute, die ihn für das Posten dieser Karikatur kritisieren. Der FPÖ-Chef bleibt uneinsichtig, und Wolf schließt gut daraus, dass ihm wohl die ganze Empörung gefalle und er sich nun endlich wieder als Verfolgter, als Opfer darstellen könne.
Weiter gehts nach Kärnten: Warum blockiert die FPK-Minderheit alle Neuwahlanträge im Landtag? Strache meint, dass Bundespräsident Fischer dasselbe bei der ESM-Abstimmung im Parlament vorgeschlagen und empfohlen hat. Wolf zeigt auf, dass es hier um zwei unterschiedliche Dinge geht: beim einen hat Fischer dazu aufgerufen, den Plenarsaal zu verlassen, falls man nicht für den ESM abstimmen kann, die Abstimmung konnte aber stattfinden. Im Kärntner Landtag hingegen ist durch den Auszug der FPK keine Abstimmung mehr möglich. Warum also blockieren? Wegen der ESM-Verfassungsklage, die die FPK einbringen möchte – und dies ist erst möglich, wenn des ESM-Gesetz veröffentlicht wurde. Strache meint, dass, bevor keine Klage eingereicht wurde, nicht neu gewählt werden dürfe. Armin Wolf klärt auf: selbst wenn nun Neuwahlen ausgerufen werden würden, wäre die FPK bis zum Wahltermin (frühestens Ende November) im Amt, also Zeit genug, um noch gegen den ESM zu klagen. (Link: Was ist ESM?) Strache geht nicht wirklich drauf ein, und meint auch, dass die Gefahr besteht, dass die „rot-schwarz-grüne“ Allianz in Kärnten, sollten sie eine Koalition schaffen, diese Verfassungsklage wieder zurückziehen könnten.
Nun zur Causa Graf: mehrmals in den vergangenen Wochen hat Strache behauptet, dass ein Gutachten alle Vorwürfe gegen Martin Graf entkräftet hat. Armin Wolf hat großartig recherchiert und den bisher geheimen Prüfbericht gelesen, und erklärt, dass zwar einige Vorwürfe wirklich entkräftet wurden, die meisten Vorwürfe hingegen nicht einmal behandelt wurden.
„Und ich sage klar und deutlich: Kommt es zu einem Freispruch, dann hat derjenige, dem Vorwürfe und Vorverurteilungen anheimgefallen sind, Recht behalten. Sollte irgendwo festgestellt werden, dass man sich hier in irgendeiner Art und Weise nicht korrekt verhalten hat, dann bin ich der Erste, der hier auch die Konsequenzen zieht.“
Das neueste Problem ist alt, hat weiße Haare und hört auf den Namen Frank Stronach. Strache hingegen sieht keine Gefahr, er möchte Umfragen ganz grundsätzlich hinterfragen. Und nennt dann interne Umfragen, die zeigen, dass es 2013 um ein Duell zwischen Strache und Faymann gehen werde. Stronach sei stets Teil des Systems gewesen … er habe sich (Ex-)Politiker gekauft (Vranitzky, Grasser, Westenthaler) und glaubt, dies nun auch auf seinem Weg in die Politik tun zu können. Und während Strache zum wohl vierten Mal seine Hymne rund um Rot-Schwarz-Grün-ESM-Diktat-Ausverkauf-Österreichs anstimmt, greift Wolf dieses Thema erstmals wirklich auf: Strache möchte einen Nordeuro (mit den starken Ländern) und einen Südeuro, ähnlich wie Josef Bucher und das BZÖ. Wer dabei sein sollte? Darüber wollte Strache nicht ausführlich reden, nannte aber zumindest Deutschland, Holland und Österreich. Wolf kontert, dass durch eine Aufspaltung der Währungsunion in einen Nord- und Südeuro (ersterer wäre eine harte Währung) unsere Exporte teurer werden würden. Auf die Frage, ob er wissen, wie hoch die Exportquote in Österreich sei, möchte er nicht „Armin Assinger spielen“. Wolf nennt die Zahlen: zur Euro-Einführung lag sie bei 42%, heute sind es 57%. Strache fordert auf, gesamtvolkswirtschaftlich zu rechnen: auch wenn die Exporte teurer werden würden, würden z.B. Importe billiger werden. Im Anschluss zitiert Strache die Studie der Schweizer Bank UBS, die erklärt, dass in Österreich die Reallöhne seit 2000 stark gesunken seien. Armin Wolf fügt hinzu, dass jede andere Institution an dieser Studie zweifelt und sie kritisiert.
„Die gefühlte Inflation der Österreich entspricht genau dem Ergebnis.“
Wenn der Nordeuro nicht funktionieren würde, und man zurück zum Schilling ginge: Wäre er hart oder weich? Strache sagt überraschend ehrlich, dass dies nicht leicht sein würde, sondern dass man auch den Schilling stützen müsse, damit er nicht vollkommen an Wert verliert. Der ESM, Strache nennt ihn neuerdings Europäischen Sado-Maso-Vertrag, wird umfangreich disktuiert, bis Wolf aufzeigt, dass alle Kritiken am ESM 1:1 aus dem Vertrag des Internationalen Währungsfonds übernommen wurde. Auf die Frage, ob eine Volksabstimmung zum Euro-Austritt Koalitionsbedingung nach der Wahl 2013 sein würde, stimmt Strache zu. Wobei er Sekunden später seine Aussage wieder revidiert und sagt: die Bevölkerung soll eine solche Volksabstimmung selbst initiieren müssen.
Fazit: Dieses Sommergespräch ist eines der besten der vergangenen Jahre. Armin Wolf war perfekt vorbereitet, konnte bei allen Behauptungen Straches großartig und fundiert kontern und ist auch angenehm ruhig geblieben, selbst wenn man manchmal für eine genaue Antwort erst mehrfach nachfragen musste. Heinz-Christian Strache (er hat übrigens 3x von sich in der dritten Person gesprochen, ähnlich wie es Haider damals und z.B. Josef Bucher vor zwei Wochen im Sommergespräch getan habe) hat zwar gefühlte zehn Mal versucht, seine Wahlkampfrede rund um „Auverkauf Österreichs“, „ESM-Diktat“, „Finanzdiktatur“ und „Rot-Schwarz-Grün“ zu halten, manchmal hat er es sogar geschafft, aber selbst hier hat Wolf mit seiner Recherche in Richtung IWF (Internationaler Währungsfond) Großartiges geleistet. Ansonsten fiel es Strache schwer, wirklich zu kontern – er flüchtete sich oft in die Opferrolle (Presse-Kommentar: die bösen politischen Mitbewerber; Antisemitismus-Karikatur: die bösen politischen Mitbewerber, Graf: die bösen politischen Mitbewerber) und schien eben doch etwas Angst zu haben, vor wem auch immer. Somit ist es wohl Wolfs beste Leistung. Strache hingegen hatte schon einfachere Interviewpartner.
Dominik Leitner
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