„Soziale Bewegungen und Social Media“ … Ein Projekt, welches schon seit Monaten mittels #sbsm-Hashtag, einer Website und offener Diskussion für Aufsehen sorgte, findet mit der „etwas anderen“ Buchpräsentation einen vorläufigen Abschluss. neuwal hat den #sbsmtaalk (eine Mischung aus Buchvorstellung und #supertaalk) zusammengefasst.

Zum Nachsehen

„Wenn sie ein bisschen näher kommen, freuen wir uns auch!“

Schon als die Moderatorin Sonja Fercher etwas Narrenfreiheit für sich selbst beanspruchte, war klar, dass es wirklich keine dröge Buchpräsentation werden würde. Hier wurden nicht die 08/15-Fragen gestellt, sondern jeder interessierte Mensch konnte via Blogkommentar, Twitter oder Facebook seine Fragen posten.

Kadekmedien fragte „Wer hatte wann die erste Idee, bewegte wen wie sozial, um so ein großartiges Projekt auf die Beine zu stellen?“ und Piratenweib legte mit „Was war die auslösende Idee?“ sogleich nach. Die beiden Herausgeber – Hans Christian Voigt (@kellerabteil) und  Thomas Kreiml (@kreimlink) – standen Rede und Antwort: Voigt erklärte, dass die grundlegende Idee von Werner Drizhal aus der GPA-djp stammt. Das hat die Verbindung zum Verlag hergestellt … wobei schnell klar wurde, das Buch nicht auf Betriebsräte und ArbeitnehmerInnen zu beschränken, „sondern einem größeren Rahmen sozialer Bewegungen aufzumachen.“ Kreiml betont zudem, dass vor allem Voigt sehr beständig und voller Wissen an dem Projekt(start) beteiligt war. Durch die jahrelange Beschäftigung mit Social Media in verschiedensten Kontexten (bei Gewerkschaften, aber eben auch bei den Studierendenprotesten #unibrennt) war es wichtig, diese Themen zusammenzuführen. Werner Drizhal, Leiter der Bildungsabteilung der GPA-djp, sieht in Social Media die Möglichkeit in einem Betrieb gewerkschaftliche Gegenmacht zu erzeugen.

„Das ganze Projekt ist ein Experiment. Was hat den Verlag dazu bewogen, sich auf dieses Projekt einzulassen?“ möchte Dyrnberg gerne wissen. Dagmar Thurnhofer vom ÖGB Verlag gibt es offen zu: Es war auch für den Verlag interessant, sich mit Social Media auseinander zu setzen. Außerdem war es für sie wichtig, eine Plattform zu bieten wo sich Gewerkschaften, NGOs und Interessensvertretungen finden und miteinander diskutieren und Wissen austauschen. Piratenweib legt nach und fragt „Was war bei der Entstehungsgeschichte so anders als bei allen anderen Buchproduktionen?“ Die Texte wurden in ein Wiki eingetragen, die verschiedenen Autoren haben darüber diskutiert, einige schließlich auch gleich online gestellt, erzählt Habiba Memedoska. Der aktive Einsatz von Social Media Tools stellt einen Gegensatz zu herkömmlichen Buchproduktionen her.

Klemens Wieringer wünscht sich in seiner Frage direkte Beispiele aus der Praxis und fragt zugleich nach erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Kampagnen. Doris Kittler, Aktivistin am Augartenspitz, sieht den Kampf gegen den Bau als gescheitert (es wird ja gebaut), aber es ist unglaublich viel in Gang gekommen. Der Denkprozess über Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie ist in den vergangenen Jahren in Gang gekommen. Außerdem ruft sie dazu auf, für einen Kinofilm rund um die Augartenspitz-Besetzung Spenden zu sammeln … natürlich Crowdfunding über Social Media. Fercher nimmt die Rolle der fragenden Kritikerin ein: Scheitern (gesellschafts-)politische Diskussionen im Social Media nicht viel zu oft an der Blase voller Gleichgesinnter? Voigt sieht darin keinen Unterschied zur „realen Welt“ … auch dort sind Diskurse mit politisch Andersgesinnten eher Mangelware, aber Social Media erhöht zumindest die Chance, einen solchen Diskurs zu starten.

Über den immer noch vorhandenen Gap zwischen Online- und Offline-Menschen möchte Andrea Meyer-Edoloeyi. In sozialen Bewegungen, so Voigt, ist es nicht so schlimm: es gibt nicht immer 100%, die auf Facebook oder Twitter sind. Es gibt eine Arbeitsteilung, die einen beobachten die (neuen) Medien, die anderen arbeiten an anderer Stelle. Herr Drizhal spricht zudem über die kleinen Erfolge: in Unternehmen werden Betriebsratsblog dahingehend gut angenommen, dass sich die Mitarbeiter informieren, was bei den Betriebsratsitzungen rausgekommen ist. Doris Kittler bringt den Terminus „Informationsflut“ wieder einmal ins Spiel: Ist Facebook schon viel zu sehr Marketinginstrument, und kommen die User mit dem Lesen überhaupt noch nach? Geht dabei nicht viel zu oft das Wichtigste unter? Voigt sieht dieses Risikio, dass die Werkzeuge wie Facebook sehr stark ökonomisiert werden. Aber man kann sich auch anders mit dem Netz beschäftigen.

Auch SprecherInnen der #unibrennt-Bewegung erklären die Social Media-Tools als unglaublich wichtig: Twitter, Facebook und Blogs sind auch ohne Vorkenntnisse nutzbar. Natürlich war zu Beginn der Besetzung nichts geplant: Es war aber von Anfang an das Ziel klassische Medienarbeit mit Medienarbeit im Web 2.0 zu ergänzen. Um in die klassischen Medien jedoch erwähnt zu werden, brauchen soziale Bewegungen auch Ansprechpartner. Man kann auch noch so viel berichten, solange der Nachrichtenüberbringer sogesehen anonym bleibt, werden die klassischen Medien nicht wirklich darüber berichten. Michel Reimon betonte außerdem, die sozialen Netzwerke dazu zu nutzen, eben auch mal außerhalb der Blase zu agieren: gerade die Meinungen der politisch anders Orientierten sei wichtig, um etwas über den Tellerrand zu blicken.

Irgendwie anders.

Der Talk bzw. die Buchpräsentation war etwas anders, als man sich eine solche Veranstaltung vorstellt, zumindest sicherlich um einiges lockerer und auch interessanter. Was wurde behandelt? Die Gap, die Bubble und die Verlagsarbeit … interessante Fragen und ebenso interessante und überzeugende Antworten. Jetzt ist neuwal noch gespannt auf das Buch und bereitet sich schon mal auf den kommenden Booklewal vor.

Weitere Termine

14. Oktober – Buchpräsentation auf der Frankfurter Buchmesse
18. Oktober – 2. #sbsmtaalk
19. – 20. Oktober – #sbsmcamp